Massiver Entwicklungsschub durch die »Akademik Lomonosov«: Erstes schwimmendes Atomkraftwerk der Welt versorgt arktische Hafenstadt in Sibirien mit Strom und Wärme

Seit Mai liefert das erste schwimmende Atomkraftwerk der Welt Strom nach Pevek, seit Ende Juni auch Wärme. Eine Nachricht, die auf den ersten Blick hin unspektakulär wirkt, erweist sich als Meilenstein in der Besiedlung und ökonomischen Entwicklung Sibiriens.

Im Spätsommer letzten Jahres wurde die 140 m lange und 30 m breite »Akademik Lomonosov« des russischen Nuklearunternehmens Rosatom von Murmansk in das knapp 3 000 Seemeilen östlich gelegene Pevek (Region Tschukotka) geschleppt. Pevek, Russlands nördlichste Stadt und östlichster arktischer Hafen, liegt im Permafrost in einer Bucht am Ufer des Ostsibirischen Meeres.

Die Lebensbedingungen sind rau. Die kalte Jahreszeit dauert von September bis Juni. Temperaturen von bis zu minus 33 Grad sind gängig und der Juschak, ein Wind, der boenartig ganzjährig auftreten kann, verwandelt im Winter die Landschaft in Minutenschnelle in eine Schneewüste.

Dennoch wird Pevek boomen, selbst wenn in den 90er Jahren die Bevölkerung von 12 000 Menschen auf etwa 4 000 Bewohner abnahm. Der Grund liegt in seiner Lage als Hafen an der Nordostpassage. Diese Schiffahrtsroute zwischen Europa und Ostasien soll durch den Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten ganzjährig eisfrei werden. Und Pevek ist eines der Einfallstore und Verladepunkte der reichen Vorkommen von Gold, Uran und Quecksilber in der Tundra Sibiriens sowie der Öl- und Gasvorkommen.

Bildquelle: Rosatom (Mit herzlichem Dank für die Verwendung)

Bislang war die Industriesiedlung sowjetischer Prägung auf Energie aus dem 76 Jahre alten Kohlekraftwerk Chaun angewiesen. Wurde das Heizungsnetz abgeschaltet, berichtet Rosatom in einer Pressemitteilung, fiel auch das Warmwasser aus. Doch diese Widrigkeiten werden ein Ende haben. Als elftes russisches und nördlichstes Atomkraftwerk wird die »Akademik Lomonosov« schrittweise die Energieversorgung der Stadt und seines Umlandes übernehmen und dafür sorgen, dass das umweltschädliche Kohlekraftwerk Chaun abgeschaltet werden kann – laut Witali Trutnew, dem Leiter der Direktion für Bau und Betrieb der schwimmenden Atomkraftwerke bei Rosenergoatom, die ursprüngliche Idee.

Durch zwei KLT-40S-Reaktoren mit einer elektrischen Leistung von jeweils 35 MW ausgestattet, ist das Schiff theoretisch für die Versorgung von etwa 100 000 Menschen ausgelegt. Wenngleich Kritiker im mobilen AKW ein „schwimmendes Tschernobyl“ sehen, so wird die »Akademik Lomonosov« für die nächsten 40 Jahre treibender Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung der Region und der Ausbeutung sibirischer Bodenschätze werden. Als eines dieser Projekte gilt die Baimsky-Kupfer- und Goldminen, wo etwa 23 Millionen Tonnen Kupfer und 2.000 Tonnen Gold lagern sollen, wie der Barents Observer 2018 berichtete.

Die Idee kleiner schwimmender modularer Kernkraftwerksblöcke scheint auch einen Zukunftsmarkt für Entwicklungsländer zu besitzen: Janne Wallenius, Professor für Reaktorphysik an Stockholms KHT geht davon aus, dass hierdurch „entfernt gelegene Gebiete in der ganzen Welt, darunter auch Inselgebiete“ mit Strom versorgt werden könnten, wie ihn Rosatom in einer Presseaussendung zitiert.

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Bildquelle: Rosatom (Mit herzlichem Dank für die Verwendung)