Interview mit dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad: »Amerikanische Politiker sind tatsächlich schuldig, bis ihre Unschuld bewiesen ist, nicht umgekehrt.«
red. – Ende Oktober gab Bashar al-Assad eines seiner seltenen Interviews. Darin vergleicht der syrische Präsident die US-Politik mit Hollywood und erklärt seine Sichtweise zur Gegenwart und Zukunft Syriens.
Die Politik der USA als Hollywood-Inszenierung
Angesprochen auf die Tötung des IS-Führers, Abu Bakr al-Baghdadi, betont er, dass Syrien hierfür keine Unterstützung leistete und erst davon nur durch die Medien erfahren habe. Die ganze Operation sei nur eine Finte:
»Die amerikanische Politik unterscheidet sich nicht von Hollywood. Sie beruht auf der Vorstellungskraft. Nicht einmal Science Fiction, nur Einbildung. (…) Ich glaube, das Ganze in Bezug auf diese Operation ist ein Trick. Baghdadi wird unter einem anderen Namen neu entstehen, eine Einzelperson oder ISIS in seiner Gesamtheit kann nach Bedarf unter einem anderen Namen, jedoch mit demselben Gedanken und demselben Zweck reproduziert werden. Der Regisseur des ganzen Szenarios ist derselbe, die Amerikaner.«
Bashar al-Assad im Interview
Erdogan: Werkzeug der US-Politik
Den türkischen Präsidenten Erdogan sieht Assad ebenso als ein Werkzeug US-amerikanischer Politik: Nachdem sämtliche Versuche gescheitert waren die syrische Regierung zu stürzen (Unterstützung von Demonstranten, Islamistenmilizen, IS) „musste die Türkei eingreifen und den Spieß umdrehen. Das ist ihre Rolle.“
»Vom äußersten Punkt im Süden bis zum äußersten Punkt im Norden ist die Türkei der amerikanische Stellvertreter in diesem Krieg, und überall, wo wir gekämpft haben, haben wir gegen diesen Stellvertreter gekämpft.«
Bashar al-Assad im Interview
Donald Trump sieht Assad aber insofern positiv, „weil er der transparenteste Präsident“ ist. Er gebe nicht Moral vor, sondern spräche aus, dass es ihm um Öl ginge, erklärt Assad ferner.
Sotchi-Vereinbarung als vorübergehende Lösung
Auf die Situation in Nordsyrien befragt gibt Assad zu verstehen, dass sich die russische Politik „mit den Realitäten vor Ort“ befasst, aber nicht auf die Prinzipien des Völkerrechts, der syrischen Souveränität und der territorialen Integrität Syriens verzichten würde. Somit sei die Vereinbarung mit der Türkei auch nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend. Auch werde es noch Zeit brauchen, bis er seine Macht wieder auf weitere Teile Syriens ausgedehnt habe. Es gebe dort zahlreiche bewaffnete Gruppen und so manche Gruppe habe dort mit den Gegnern seiner Regierung kooperiert.
Ebenso sei der Verfassungsausschuss in Genf nur als eine Ebene anzusehen. Weitere seien der Kampf gegen den Terrorismus und die Vereinbarungen von Sotschi, so Assad sinngemäß.
Idlib in westlicher und syrischer Logik
Auf die Rebellenenklave bezogen, erläutert Assad seinen Standpunkt, der sich von der Sichtweise des Westens vollends unterscheidet: So soll der Westen das Wohl der Zivilbevölkerung auch unter „Militanten“ als gesichert ansehen, während Syrien – sinngemäß – die Befreiung der Zivilbevölkerung vom Joch der Islamisten als Ziel verfolge.
Das zukünftige Zusammenleben in Syrien
Wenngleich Teile der Kurden, aber auch arabische Stämme mit Assads Gegnern zusammengearbeitet hatten, kann sich der syrische Präsident ein zukünftiges Zusammenleben wieder vorstellen. Ihm schwebt hier das Verhältnis des syrischen Staates zu den Armeniern vor, die patriotische Syrer seien, aber ihre Religion und Eigenheiten leben. Allerdings wendet er sich strikt gegen separatistische Tendenzen.
»Unter den Kurden gab es Leute, die amerikanische Agenten oder Stellvertreter waren. Dies ist wahr, aber unter den Arabern gab es ähnliche Fälle im Dschasira-Gebiet und in anderen Gebieten in Syrien. Dies gilt für die meisten Teile der syrischen Gesellschaft. (…) Was die Kurden selbst anbelangt, so hatten die meisten von ihnen gute Beziehungen zum syrischen Staat, und sie standen immer in Kontakt mit uns und schlugen echte patriotische Ideen vor. (…) Ja, ganz einfach, wir können wieder miteinander leben. Wenn die Antwort nein wäre, würde Syrien nie wieder stabil sein.«
Bashar al-Assad im Interview
Eine besondere Bedeutung für die Einheit Syriens spielen die Kinder, so Assad. Über das Schulsystem will er auch jene wieder integrieren, die unter fremder Herrschaft aufgewachsen waren.
Assad und die wirtschaftliche Erholung Syriens
Als Grundpfeiler der syrischen Wirtschaft sieht Assad die kleineren und mittleren Betreibe Syriens, die für die Belebung der Wirtschaft eine Schlüsselrolle spielen. Der Staat müsse aber den Wiederaufbau der Infrastruktur und Energieversorgung vornehmen. Assad sieht auch im Kampf gegen die Korruption und im Aufbau effizienter Ministerien und Behörden eine wesentliche Aufgabe des Staates.
Das ganze Interview in englischer Übersetzung: President al-Assad’s interview given to al-Sourya and al-Ikhbarya TVs (SANA)
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