DIE NOT ZUR TUGEND GEMACHT : TÜRKISCHER FLUGZEUGTRÄGER OHNE AUSSICHT AUF KAMPFFLUGZEUGE WIRD ZUM WELTWEIT ERSTEN DROHNENTRÄGER
WIEN, 2. Mai 2021. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan verfolgt ein ambitioniertes Ziel. Um türkische Großmachtfantasien zu verwirklichen, entwickelt sich die Türkei nicht nur zu einer Rüstungsschmiede von internationalem Rang, sondern will in den nächsten Jahren zum Zirkel der weltweit wichtigsten Militärmächte aufschließen. Diesem Ziel dient auch der Bau eines leichten Flugzeugträgersals überregional einsetzbare Operationsplattform.
Bereits in naher Zukunft sieht die Türkei ihre Kriegsschiffe mit hellgrauem Tarnanstrich und roter Flagge mit weißem Halbmond und Stern die Ägäis, das östliche Mittelmeer und das Schwarze Meer durchfurchen. Ihre Marine soll aber ebenso zum gewohnten Anblick in Teilen des Atlantiks und des Indischen Ozeans zählen. Hierzu dient die Idee des „blaues Vaterlandes“ und der Plan, die türkische Küstenmarine in eine schlagkräftige Hochseeflotte zu verwandeln.
Kernstück dieses Planes bildet der Bau des „landing helicopter dock“ (LHD) TCG Anadolu mit der Kennung L 400, an dem die Sedef Werft in Istanbul Tuzla arbeitet. Mit einer Länge von knapp 231 Metern, einer Höhe von 58 Metern und einer Verdrängung von 27 436 Tonnen wird die Anadolu das größte jemals in der Türkei gebaute Kriegsschiff werden.
Auch wenn der Eigenanteil bei 68 Prozent liegt, so stellt das Schiff einen adaptierten Nachbau der spanischen Juan Carlos I-Klasse dar, einem Exportschlager, den auch die australische Marine mit ihren zwei Hubschrauberträgern HMAS Canberra (L 02) und HMAS Adelaide (L 01) einsetzt.
Ursprünglich als Hubschrauberträger konzipiert, änderte die Türkei 2015 den Auftrag in einen Flugzeugträger mit Sprungschanze, eine Bauart die von chinesischen, russischen, indischen oder britischen Flugzeugträgern bekannt ist. Als Flugzeugtyp wurde der Kauf von bis zu 12 hypermodernen US-amerikanischen F-35B Lightning II Senkrechtstartern ins Auge gefasst. Allerdings strich die USA den NATO-Partner Türkei mit dem Ankauf des russischen Luftabwehrsystems, der S 400, sowohl von der Kundenliste wie auch aus der Teilnehmerliste am „joined strike fighter“-Programm, obwohl die Türkei für den Mehrzweckkampfflieger etwa 800 Teile fertigt und bereits 1 Milliarde Euro investiert hat.
Nachdem dadurch in absehbarer Zeit kein geeignetes Kampfflugzeug zur Verfügung stehen wird, bewegte sich die Türkei auf den Punkt zu, zum internationalen Gespött zu werden.
Einen Ausweg zeichneten die im Inland entwickelten militärischen Drohnen auf: Denn nur in einer Woche im März 2020 konnte die Türkei mit Drohnen und einer neuartigen militärischen Taktik der syrischen Armee empfindliche Verluste beibringen. Auch in Libyen erreicht die neue türkische Militärdoktrin eine Pattstellung gegenüber General Haftars Gegenregierung in Tobruk und im Kampf um Berg-Karabach führten nicht zuletzt türkische Drohnen Aserbaidschan zum Sieg gegen Armenien.
Aus der Not eine Tugend machend, wird nun die in Bau befindliche TCG Anadolu zum weltweit ersten Drohnenträger umbaut. Geplant sind 30 bis 50 Drohen, die zur Spionage, Überwachung, zum Identifizieren von Angriffsziele oder armiert, für Angriffe dienen. Erst im vergangenen März kündigte Haluk Bayraktar an, dass sein Unternehmen innerhalb eines Jahres die TB-3 entwickeln wolle, eine Kampfdrohne für den speziellen Einsatz auf dem Drohnenträger.
Allerdings sind hierfür noch zahlreiche technische Hürden zu bewältigen. So übt alleine die Sprungschanze eine nicht zu unterschätzende einschränkende Auswirkung auf Waffenlast und Reichweite eines Fluggerätes aus. Zudem sind für den Gebrauch an Bord geklappte Flügel nötig, über die türkische Drohenmodelle bislang nicht verfügen, sowie belastbare Haltevorrichtungen für die Landung auf dem Deck. Außerdem sind maritime Drohnen der Meeresluft und harten Anforderungen an Karosserie, Rädern und Fahrwerk ausgesetzt.
Letztlich erhebt sich auch die Frage nach dem Sinn eines Drohnenträgers. Das Schiff kann das türkische Selbstbewusstsein und Prestige verkörpern und als Drohkulisse fungieren. In militärischer Hinsicht wird ihr Erfolg wohl gering ausfallen. Die TCG Anadolu kann zwar die üblichen Aufgaben eines Mehrzweckschiffes für amphibische Angriffe ausüben, sofern Begleitfahrzeuge zur Bildung einer Trägerkampfgruppe zur Verfügung stehen.
Das türkische Drohnenkonzept, geht allerdings in erster Linie gegen einen Gegner ohne starke Luftpräsenz auf. Ein Ersatz für die eingebüßten Möglichkeiten durch den Ausschluss aus der Kundenliste der US-amerikanischen F-35 stellt der Drohnenträger jedenfalls mitnichten dar.
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Bildquelle: Image by Military_Material from Pixabay (HMAS Canberra als Symbolfoto)