A n a l y s e | EINE NEUE RUNDE IM SYRISCHEN KRIEGSTHEATER: WAS GESCHIEHT MIT NORDOSTSYRIEN NACH DEM US-ABZUG?

Tebel-Report |ANALYSE

Seit der überraschenden Rückzugsankündigung der US-Truppen aus Syrien ist die Situation extrem unübersichtlich. Donald Trump konnte damit nicht alleine seine Verbündeten überrumpeln, sondern auch Russland, Syrien und den Iran überraschen.

Insbesondere den Kurden, dem Iran, Syrien und der Türkei ist nicht klar, welche Rolle sie beim Auffüllen des entstehenden Vakuums in Syrien spielen können. Wie schon seit der Afrin-Invasion liegen die spielbestimmenden Karten bei Russland:

So spricht Ibrahim Hamidi in Asharq Al-Awsat vom einer regen Besuchstätigkeit des Kommandanten der syrischen YPG in Damaskus, Hmeimim (mit dem syrischen Geheimdienstchef Ali Mamlouk und dem Verteidigungsminister General Ali Abdullah Ayoub und dem Chef des russischen Generalstabes Valery Gerasimov) und am 29. Dezember in Moskau (mit dem russischen Verteidigungsminsiter Sergey Shoigu), um ein „geheimes Angebot“ zu unterbreiten. Dabei dürfte es um die Übergabe der kurdisch kontrollierten Grenzregion im Abtausch mit dem Schutz vor einem türkischem Einmarsch gehen, berichtet Asharq Al-Awsat. Das besondere daran ist, dass die YPG eine von Russland vermittelte Lösung anstrebt – gleichgültig ob die USA nun bleiben oder abziehen. Allerdings macht Arab News darauf aufmerksam, dass Trumps Ankündigung die Verhandlungsposition der Kurden erheblich geschwächt hat und die syrische Regierung kein föderales Prinzip in Syrien akzeptieren will.

Am 29. Dezember befand sich ebenfalls eine hochrangige türkische Delegation unter dem Außenminister Mevlut Cavusoglu in Moskau.

Auch die USA will nun kein Scherbenfeld in Syrien hinterlassen, sondern eine geregelte Übergabe vornehmen: Trumps nationaler Sicherheitsberater John Bolton erklärte in Israel, dass die USA erst abziehen, wenn die Zukunft der Kurden gesichert, der Iran Syrien verlassen hat und der IS besiegt ist. Vor seiner Ankunft in Ankara wiederholte Bolten, dass Trump mehrfach auch Erdogan klar gemacht habe, dass die USA nur die Truppen abziehen, wenn die USA von der Türkei eine Garantie erhält, nicht die syrischen Kurden zu verfolgen. John Bolton erklärte Reportern am Wochenende laut NBC, dass das Weiße Haus „nicht der Meinung ist, dass die Türken eine militärische Aktion durchführen sollten, mit der die Vereinigten Staaten nicht vollständig koordiniert sind und ihr zustimmen.“

Allerdings ist die Wucht von Worten einer Macht, die sich dezidiert zurückziehen will, relativ bedeutungslos. So weist der türkische Präsident umgehend die amerikanische Forderung nach Garantien zurück. Die Deutsche Welle zitiert ihn mit den Worten: „Es ist unmöglich, Boltons Botschaft aus Israel zu schlucken oder zu akzeptieren“ und die Türkei werde „sehr bald zur Tat schreiten, um diese Terrorgruppen auf syrischem Boden zu neutralisieren“. Und als Afront gegen die USA könnte zudem zu werten sein, dass Bolten in der Türkei ein zweistündiges Treffen mit zweitrangigen Regierungsvertretern führen konnte: mit dem türkischen Präsidentensprecher Ibrahim Kalin sowie den Stellvertretern von Geheimdienstchef Hakan Fidan, Verteidigungsminister Hulusi Akar und Außenminister Mevlüt Cavusoglu.