Denkmalsturm in den USA : »Black Lives Matter«, »Burn Down White House« und »Oink Oink« – Analyse
Tebel-Report. – Seit dem brutalen Tod von George Floyd, der bei seiner Festnahme durch einen weißen Polizisten in Minneapolis ums Leben kam, ist die USA von einer Welle an Protesten erfasst. Zahlreiche Menschen solidarisieren sich im ganzen Land mit der „Black Lives Matter“-Bewegung gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt und systematischen Rassismus. Auch Denkmäler werden gestürzt. An ihnen zeigt es sich, dass es nicht nur um „Antirassismus“ geht.
Keine Rassisten ehren
Im ersten Monat der Proteste wurden in mehr als 60 Städten etwa 100 Monumente mit Graffiti versehen oder Denkmäler von ihren Sockeln gestürzt. Im Zentrum von Vandalenakten stehen Polizeidenkmäler und insbesondere rassistisch empfundene historische Denkmäler „weißer Vorherrschaft“. Hierzu zählen die zahlreichen Erinnerungsorte, die auf dem Territorium der ehemaligen Südstaaten zu Ehren konföderierter Generäle und Soldaten errichtet wurden. Sie erinnern an den Sezessionskrieg und an den Versuch der Südstaaten, eine feudale Lebenswelt zu erhalten, die auf Sklaverei basierte. Ihre Denkmäler stehen in der Kritik, einerseits ein Südstaatensystem der Rassenungleichheit zu verkörpern und durch Sezessionsbestrebungen den Verrat an den USA zu ehren.
Als rassistisch werden ebenso Monumente von Entdeckern, frühen Kolonisten und Pionieren empfunden. Sie erinnern die Demonstranten ebenso an „weiße Vorherrschaft“ und den folgenden Genozid an der indianischen Urbevölkerung. Im Visier stehen Columbus-Denkmäler, die in den USA oftmals von den italoamerikanischen Gemeinden als Sinnbild ihres Beitrages für die Entstehung der USA gestiftet wurden. Aber auch spanische Konquistadoren wie Don Juan de Õnate und dem 2015 heilig gesprochenen Gründer von San Francisco und Franziskaner, Juniperro Serra, wird – belegbare – brutale Gewalt gegenüber „Native Americans“ vorgeworfen. Kolonistendenkmäler stehen für Landraub an den Indianern.
Das individuelle Verhältnis zu Schwarzen und Indianern prägt auch die Auswahl weiterer verwüsteter Denkmälern: So werden Edward W. Carmack, dem Polizeichef und späteren Bürgermeister von Philadelphia, Frank Rizzo, Mahatma Gandhi und George Prestin Marshall, der erste Besitzer der Washington Redskins, mit Rassismus in Verbindung gebracht.
Die USA als Projekt „weißer Vorherrschaft“
Spätestens hier offenbart sich aber das Problem dieses radikalen Ansatzes. Die dogmaartige Prämisse, dass keine Rassisten geehrt werden sollen, führt zu einem bewusst einseitigen Blick auf historische Persönlichkeiten. Denn unter dem ausschließlichen Aspekt des Sklavenbesitzes werden auch Gründungsväter der USA wie George Washington und Thomas Jefferson sinnbildlich von ihren Sockeln gestützt. Die USA von ihrer Gründung an, wird als Projekt „weißer Vorherrschaft“ interpretiert und abgelehnt.
In Portland, Oregon, brennt eine US-Flagge auf dem Kopf des ersten US-Präsidenten mit dem Hinweis, dass „You are on native land“. In Baltimore wird die George Washington-Statue mit roter Sprühfarbe und Grafitti mit „destroy racists“ beschriftet, ihm in Chicago eine symbolische Kapuze des Ku-Klux-Klans aufgesetzt und das Denkmal mit „Slave owner“, „Burn down White House“ und „God bless Amerikkka“ beschriftet.
Auch ausländische Unterstützer der US-amerikanischen Unabhängigkeit entgehen Vandalenakte nicht: Casimir Pulaski, der polnische Begründer der amerikanischen Kavallerie, wie auch das Denkmal seines Landsmannes Thaddeus Kościuszko werden in Washington Ziel von Farbattacken.
Neben Denkmälern der Südstaaten trifft es ebenso Monumente, die an die Soldaten der Gegenseite, an die siegreiche Union erinnern. Hier wird nicht ihr indirekter Einsatz für die Abschaffung der Skaverei respektiert, sondern wie bei General Ulysses C. Grant der Besitz von Sklaven hervorgehoben. Letztlich wird auch nicht unbedingt unterschieden, ob das Denkmal für einen Abolitionisten steht oder sogar für schwarze Soldaten.
Selbst die Rückseite des Robert Gould Shaw and the 54th Regiment Memorial in Philadelphia wird großflächig mit Graffiti wie „ACAB“ (All cops are bastards), „F*** 12“ oder „No justice no peace“ versehen. Das Denkmal ehrt das erste afro-amerikanische Regiment der Union, das 54th Massachusetts Regiment, dessen Einsatz im Hollywood Film „Glory“ ein filmisches Denkmal gesetzt wurde. In Madison, Wisconsins Hauptstadt, wird das Denkmal von Hans Christian Heg verwüstet. Heg, ein Norweger, der sich 1851 in Wisconsin niedergelassen hatte, führte als Freiwilliger in Lincolns Unionstruppen skandinavische Einwanderer gegen die Konföderierten in die Schlacht und leitete zudem eine Anti-Sklaven-Miliz, um geflüchtete Sklaven zu schützen.
Dieser kulturrevolutionär anmutende Zorn und Wille zur Destruktion trifft schließlich auch historische Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts, die ausgewiesene Abolitionisten waren: Das Denkmal für den Quäker John Greenleaf Whittier, von einer örtlichen Archivarin in den Whittner Daily News als einen „führenden Anti-Skalverei Aktivisten seiner Zeit“ bezeichnet, wird verwüstet wie auch Matthias Baldwins Denkmal in Philadelphia. Den Gründer einer berühmten Lokomotivfabrik nennt die Encyclopaedia Britannica allerdings einen Philanthropen, der sich für die Ausbildung schwarzer Kinder einsetzte. „Seine Sympathien für die Abschaffung der Sklaverei“, so die Britannica weiters, „führten kurz vor dem amerikanischen Bürgerkrieg zu einem Boykott seiner Maschinen durch den Süden“.
Ins Visier der Proteste gerieten ebenso Kriegsdenkmäler des I. und II. Weltkrieges. In Pittsburgh wird das „Doughboy“-Memorial für die Soldaten des Ersten Weltkrieges mit roter Farbe angestrichen und mit dem kommunistischen Symbol versehen, mit Hammer und Sichel. Es ist nicht das einzige Kriegsdenkmal mit selben Symbol. Auch in Charlotte prangt es auf dem Denkmal des örtlichen Friedhofs für 507 Soldaten aus dem Mecklenburg County, die im Zweiten Weltkrieg starben. Zu den weiteren verwüsteten Kriegsdenkmälern zählt jenes in Springfield, das an 80 italo-amerikanische Veteranen erinnert oder das National War II Memorial in Washington, das den Schriftzug „Do black Vets count?“ erhält.
Mancherorts regiert blanke Zerstörungswut. In San Francisco trifft es ebenso das Denkmal für den spanischen Schriftsteller Cervantes, in Austin jenes von Stevie Ray Vaughan,eines berühmten Gitarristen und Blues-Musikers oder in Harrisburg die Bronzestatue eines Mannes, der eine Tageszeitung liest – „The Waiter“. Besonders geistvoll erscheint auch das Graffiti „Oink Oink“ auf dem Sockel einer Elchstatue, die an den ehemaligen Lebensraum der Tiere im städtischen Gebiet von Portland erinnert.
Entsetzen löste die Verwüstung des „sogenannten“ Charleston 9-Feuerwehrdenkmals aus, das an neun Feuerwehrmänner erinnert, die beim Brand des „Sofa Superstore“ im Jahre 2007 ihr Leben ließen.
„Rassismus“ im Namen des „Antirassismus“?
Besonders pikant werden die Vandalenakte im Fahrwasser der „BLM“-Bewegung, wenn Erinnerungsorte ethnischer Minderheiten unter dem Deckmantel des „Antirassismus“ verwüstet werden. In Denver besprühen Unbekannte das armenische Khachkar Memorial to the Armenian Genocide, das an zwischen 500 000 und 1,5 Millionen toten Armenier des Ersten Weltkrieges erinnert. Die Säule wird mit Farbe besprüht, der Boden vor der Säule mit „cops are the evil“ beschriftet.
Neben der Plünderung von jüdischen Geschäften und dem Beschmieren der Fassade einer Synagoge, wurde in Fairfax ebenso das Raoul Wallenberg-Denkmal zum Ziel Unbekannter. Der schwedische Diplomat hatte 1944 und 1945 durch die Ausstellung schwedischer Schutzpässe und die Anmietung schwedischer Schutzhäuser tausenden ungarischen Juden das Leben gerettet. An Holocaust-Denkmälern auf dem Santa Rosa-Friedhof in Kalifornien und in Nashville entstand Sachschaden.
Letztlich wurden selbst Denkmäler für Schwarze Ziel der Zerstörung. In Kansas City wurde das Denkmal für den 23-Jahre alten Lev Harrington gestürzt. Harrison war laut regionaler Medienberichte Opfer weißer Lynchjustiz. Auch in Duluth, Minnesota, wurde ein Denkmal für Schwarze verwüstet, die von einem weißen Mob gelyncht worden waren, der ihnen fälschlicherweise die Vergewaltigung einer Frau vorwarf. In Fall eines weiteren Denkmals weist die Täterschaft aber nicht in die Demonstrantenszene. Das Denkmal des berühmten schwarzen Tennisprofis Arthur Ashe wurde mit „WLM“ (White Lives Matter) verunstaltet.
Differenziertes Bild des „Denkmalsturms“
Unter diesem Hintergrund sind die Vorgänge in den USA differenziert zu betrachten. Neben den zahlreichen friedlichen Demonstranten gegen Rassismus verbindet sich bei den Vandalenakten gegen Denkmäler blanker Zerstörungswille und eine politische Ideologie, die das Selbstverständnis und Machtgefüge der USA verändern will.
Denkmäler, die „weiße“ oder hispanische Identität vermitteln, werden gestürzt. Diese Akte der Einschüchterung sollen dafür sorgen, dass auch gefährdet erscheinende, aber unversehrte Denkmäler aus Sorge vor weiteren Vandalenakten freiwillig abgebaut werden. Alleine dieser kulturrevolutionäre Ansatz ist mehr als fragwürdig, basiert er auf Einschüchterung und Trennung der Menschen und nicht auf Toleranz und einem demokratischen Diskurs.
Bildquelle: Image by NASA-Imagery from Pixabay
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