ANALYSE – Das syrische Muster

von René Tebel

Syriens Baschar al-Assad kann recht hoffnungsfroh in die nähere Zukunft blicken. In wenigen Monaten kann es ihm gelingen, seine Herrschaft wieder auf über 60 Prozent des syrischen Staatsgebietes auszudehnen und zudem seine Macht weiter zu verfestigen.

Der Schlüssel hierfür liegt in der Auflösung der zahlreichen kleinen Enklaven innerhalb des Einflussbereichs der syrischen Armee, die bis dato von der syrischen Tahrir-Miliz, der  Hayat Tahrir al-Sham-Miliz (HTS) (= z.T. Al-Kaida in Syrien, ehemals auch Nusra Front genannt), dem IS, der Jeish al-Islam-Miliz (unterstützt von Saudi-Arabien), Faylaq al-Rahman-Miliz und anderen islamistischen Milizen gehalten werden. Diese blockieren oder gefährden zum Teil wichtige Einrichtungen wie den internationalen Flughafen von Damaskus, Militärstützpunkte oder liegen sogar unweit der Innenstadt von Damaskus.

Mit der Einnahme Ost-Goutas, einem Vorortgürtel von Damaskus, ist es Assad aber gelungen, eine Methode zu entwickeln, Enklaven einzunehmen. Die Methode könnte als „Zuckerbrot und Peitsche“ bezeichnet werden: Denn einerseits verstärkt Assad den militärischen Druck, bietet aber andererseits auch die Begnadigung der Milizionäre an.

Das Muster hierfür ist ähnlich: Fallweise wird die Bevölkerung städtischer Ballungsräume mit Flugblättern dazu aufgefordert, die Gegend umgehend zu verlassen. In jedem Fall stellt die syrische Armee den gegnerischen Milizen und deren Angehörigen ein Ultimatum von 48 Stunden, wonach sie im Falle der Abgabe ihrer schweren Waffen in die syrische Armee eintreten können, in der Region verbleiben oder freies Geleit ins nördliche Syrien erhalten. Willigen die Milizionäre zu letzterem ein, werden Bus-Konvoys zusammengestellt und sie in Schüben ins weitgehend HTS-kontrollierte Idlib oder nach Jarabulus verfrachtet, das durch die türkische Armee und verbündete Dschihadisten gehalten wird. Mit dieser Taktik konnte Assad innerhalb eines Monats sowohl Ost-Gouta, wie auch Dumayr wieder unter seine Kontrolle bringen. Die Vorgehensweise wiederholt sich gerade in einer Enklave nördlich von Homs und der Hajar al-Aswad-Region, einem von verschiedenen Milizen gehaltenen Gebiet südlich des Stadtzentrums von Damaskus. Dort haben die Milizen vorerst den Kampf gewählt, weshalb die russische und syrische Luftwaffe schwere Angriffe fliegen und die „Tiger Forces“ Breschen in die Verteidigungslinien der Milizen schlagen. Nachdem Assad in solch einem Fall aber weiterhin verhandeln lässt, ist die Übergabe dieser Enklave noch immer möglich.

Mit dieser Taktik wird es Assad in kurzer Zeit gelingen, die kleineren Enklaven aufzusaugen und obendrein den Frontverlauf zu vereinfachen. Dies ist notwendig, damit die syrische Armee ihr Hauptaugenmerk auf Daraa im Süden des Landes und auf Idlib richten kann, wo die syrische Armee auf einen schwereren Widerstand treffen könnten.

Bei der Überstellung der „Rebellen“, zumeist umbenannte Al-Kaida-Milizen und IS-Kämpfer, kann Assad auf die Hilfe seines Widersachers Erdogan zählen. Erdogan und seine verbündete „Freie Syrische Armee“ – die sich zum Teil aus ehemaligen IS-Kämpfern und anderen Dschihdisten speist – nutzen die Gelegenheit aus, um nun die kurdischen Gebiete mit islamistischen Kämpfern und deren Familien zu besiedeln.